Gesundheitsförderung Schweiz

quint-essenz und QuaTheDA

Christian Ingold, Fachexperte RADIX & Günter Ackermann, Gesundheitsförderung Schweiz

Organisationen der Gesundheitsförderung und Prävention beschäftigen sich zunehmend mit dem Thema Qualität. Einerseits ist dies im Lichte einer stetigen Professionalisierung in diesem noch jungen Feld zu sehen, andererseits werden vermehrt Qualitätsansprüche von aussen an die Organisationen herangetragen. Gesundheitsförderung Schweiz, welche das Qualitätssystem quint-essenz seit über zehn Jahren trägt, hat in den letzten Jahren verstärkt auf eine Systematisierung des Projekt- und Qualitätsmanagements auf Organisationsebene hingearbeitet (vgl. Standortbestimmung http://www.quint-essenz.ch/de/articles/2). Gleichzeitig wurde QuaTheDA, vom Bundesamt für Gesundheit ursprünglich als Qualitätsnorm für die Suchthilfe etabliert, erweitert. Das Modul X „Gesundheitsförderung, Prävention, Früherkennung und Frühintervention“ bietet den Organisationen der Gesundheitsförderung und Prävention neu die Möglichkeit einer Zertifizierung ihrer Qualitätsarbeit an.

quint-essenz als Qualitätssystem für Projekte

Die Entwicklung des Qualitätssystems quint-essenz begann Mitte der Neunziger Jahre aus der Einsicht heraus, dass herkömmliche Projekt- und Qualitätsmanagementsysteme den Eigenheiten der Gesundheitsförderung und Prävention nicht ausreichend Rechnung trugen. Es wurde ein Set von Kriterien für die Qualität von Projekten definiert und eine Reihe von Instrumenten entwickelt, welche helfen sollten, die in den Kriterien definierten Qualitätsansprüche umzusetzen. Eine systematische Anwendung von quint-essenz von der Projektbegründung über die Planung und Durchführung bis hin zur Evaluation gibt den Projekten eine professionelle Grundlage und erhöht damit die Wirksamkeit der Interventionen (vgl. Studer & Ackermann 2009).

QuaTheDA als Qualitätssystem für Organisationen

QuaTheDA hingegen wurde als Qualitätsnorm für Organisationen im Suchthilfebereich entwickelt. Sie definiert eine Liste von Qualitätsanforderungen für Strukturen und Prozesse auf betrieblicher wie auch auf Dienstleistungsebene. Damit können sich Organisationen an einem anerkannten Referenzsystem orientieren. QuaTheDA hat eine doppelte – interne und externe – Funktion: Qualitätsüberprüfung gegen innen und Qualitätsanerkennung durch eine Zertifizierung gegen aussen. Letzteres ist gegenüber Auftrag- und Geldgebern wichtig: durch das Label QuaTheDA erhält die öffentliche Hand Gewähr, dass ein bestimmtes Qualitätsniveau erreicht ist. Mit dem Referenzsystem QuaTheDA 2012 wird neu den Besonderheiten der Prävention und Gesundheitsförderung Rechnung getragen.

Umsetzung in der Perspektive Thurgau

Im Rahmen einer Arbeitsgruppe haben RADIX, das Bundesamt für Gesundheit, Gesundheitsförderung Schweiz und Infodrog die Möglichkeiten einer Verknüpfung von QuaTheDA und quint-essenz erörtert und Synergien herausgearbeitet. Nun sollten erste Erfahrungen in der Praxis gemacht und aufgearbeitet werden:

Die Perspektive Thurgau, welche als Non-Profit-Organisation im Auftrag des Kantons Thurgau u.a. Projekte der Gesundheitsförderung und Prävention umsetzt, arbeitet einerseits seit Jahren mit Instrumenten von quint-essenz, andererseits ist sie für die Bereiche Therapie und Beratung QuaTheDA-zertifiziert. Ende 2014 steht die Organisation vor einer QuaTheDA-Rezertifizierung und will bei dieser Gelegenheit auch das neue Modul „Gesundheitsförderung, Prävention, Früherkennung und Frühintervention“ von QuaTheDA zertifizieren lassen. Um Erfahrungen zum Zusammenspiel der beiden Qualitätssysteme bei der Implementierung und Zertifizierung zu erhalten, unterstützen Infodrog mit Fokus QuaTheDA und Radix mit Fokus quint-essenz die Organisation mit dem Ziel einer Zertifizierungsreife für das Modul X. Die gewonnen Erfahrungen sollen anderen Organisationen zur Verfügung gestellt werden und für Beratungen, Schulungen und die Weiterentwicklung der beiden Systeme genutzt werden.

Zwei Damen unterschiedlicher Gesinnung

In einem ersten Austausch mit der Perspektive Thurgau zeigten sich gewisse Unsicherheiten und Ängste vor einer unsanften Begegnung der zwei Qualitätssysteme. Diese haben eine unterschiedliche Entstehungsgeschichte, operieren aufgrund ihres spezifischen Ansatzes anders und benutzen zum Teil je eigene Begrifflichkeiten.

Hier setzt der Vergleich zwischen quint-essenz und QuaTheDA an: Beide Qualitätssysteme verfolgen eine kontinuierliche Verbesserung der Qualität. Bei QuaTheDA stehen die Strukturen und Prozesse auf organisationaler Ebene im Vordergrund, quint-essenz fokussiert auf Projekte und deren Wirkungen. Die zwei „Qualitätsdamen“ verfolgen also ähnliche Ziele, wenn auch auf unterschiedlichen Ebenen und mit unterschiedlicher Systematik. quint-essenz hat sich als Referenzsystem und Toolbox in der Gesundheitsförderung und Prävention etabliert. Auch QuaTheDA ist breit akzeptiert und ein grosser Teil der Suchthilfeinstitutionen ist heute nach dieser Norm zertifiziert. Die externen Audits zur Erlangung der Re-Zertifizierung sind eingespielt. Zudem bietet Infodrog Weiterbildungen an, welche die Organisationen bei der Qualitätsentwicklung unterstützen. Insbesondere wurden bei der Überarbeitung von QuaTheDA (2012) Organisationen im Bereich Prävention und Gesundheitsförderung bei der Entwicklung des Moduls X einbezogen. Damit konnte zu einem frühen Zeitpunkt der Rahmen für die Vereinbarkeit von QuaTheDA und quint-essenz gelegt werden. QuaTheDA selber darf als Scanner verstanden werden, um feststellen zu können, wie die Organisationen arbeiten und wie ihre Angebote funktionieren.

Die ersten Erfahrungen der Perspektive Thurgau haben gezeigt: quint-essenz bietet die Systematik und Instrumente, um Projekte und Programme zu entwickeln, welche dann ohne Furcht dem scharfen Blick (Scanner) von QuaTheDA ausgesetzt werden dürfen (s. dazu das Interview mit den beiden Verantwortlichen, Frau Judith Hübscher Stettler und Frau Doris Grauwiler). Es zeichnet sich ab, dass die zwei Systeme gut harmonieren und sich nicht in die Quere kommen. Wenn sich eine Înstitution für eine QuaTheDA-Zertifizierung des Moduls X „Gesundheitsförderung, Prävention, Früherkennung und Frühintervention entschliesst, dann erweist sich quint-essenz als gut geeignet, diesen Weg strukturiert und effizient zu unterstützen. Oder anders herum, wenn eine Organisation ihre Projektarbeit mit quint-essenz systematisiert hat (vgl. Kolip et al. 2012, Kap. 13), erfüllt sie bereits wichtige Anforderungen für eine QuaTheDA-Zertifizierung.

Literatur

Studer, Hubert & Ackermann, Günter (2009). quint-essenz: Potenziale in Projekten erkennen und nutzen. In: Suchtmagazin. Jahrgang 35, Heft 2, April 2009. http://www.quint-essenz.ch/de/files/Studer_Ackermann_Suchtmagazin_2009.pdf

Kolip. Petra; Ackermann, Günter; Ruckstuhl, Brigitte & Studer, Hubert (2012). Gesundheitsförderung mit System: quint-essenz - Qualitätsentwicklung in Projekten der Gesundheitsförderung und Prävention. Bern: Huber. http://www.quint-essenz.ch/de/files/Gesundheitsfoerderung_mit_System.pdf

Studer, Hubert & Conrad-Zschaber, Cornelia (2011). Herausforderung Systematik. Wie können Organisationen die Qualität ihrer Projekte systematisch verbessern? Newsletter quint-essenz: Dezember 2011: http://www.quint-essenz.ch/de/articles/2

Bundesamt für Gesundheit (2012). Das modulare QuaTheDA-Referenzsystem. Die Qualitätsnorm für die Suchthilfe, Prävention und Gesundheitsförderung. Revision Juli 2012. http://www.quatheda.ch/pdf/de/2012/2012_BAG_QuaTheDA-de.pdf

Letzte Änderung: Donnerstag, 17. Oktober 2013, 10:11 Uhr