Gesundheitsförderung Schweiz

Interviews

2011 Sophie Frei (Herausforderung Komplexität)
Frau Frei, Sie sind seit 2009 Leiterin der Projektförderstelle Suisse Balance, welches aktuell 9 Projekte im Bereich Bewegung und Ernährung unterstützt. Inwiefern ist Qualität ein Thema in Ihrer täglichen Arbeit?  Die Sicherung aber auch Weiterentwicklung von Qualität auf konzeptioneller und inhaltlicher Ebene gehört zu unserer täglichen Arbeit. So werden z.B. die Zulassungs- und Qualitätskriterien zur Unterstützung von Projekten laufend den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst. In Zusammenarbeit mit den Projektleitenden achten wir ausserdem bereits bei der Eingabe des Projektgesuchs darauf, dass gewonnene Erkenntnisse aus laufenden und abgeschlossenen Projekten einfliessen und zur Planung und Steuerung genutzt werden. Was unternimmt Suisse Balance konkret, um die Qualität seiner Projekte zu sichern und weiter zu entwickeln? Seit letztem Jahr können Projektanträge und darauf aufbauend Projektberichte in einem speziell auf die Bedürfnisse von Suisse Balance angepassten Online-Tool auf der Basis von quint-essenz erfasst werden. Projektleitende werden von uns im Projektmanagement und der Arbeit mit dem Online-Tool unterstützt und begleitet. Von Anfang an stehen wir in regem Austausch um die bestmögliche Qualität aus dem Projekt herauszuholen. Zudem sind wir bemüht, das Ergebnismodell von Gesundheitsförderung Schweiz als nützliches Instrument zur Positionierung, Planung, Steuerung und Evaluation der verschiedenen Projekte einzusetzen. Die Projektleitenden erhalten von Suisse Balance die Möglichkeit, eine professionelle, externe Evaluationsberatung einzuholen. Worin sehen Sie aktuell die grössten Herausforderungen bei der Durchführung von Gesundheitsförderungsprojekten? Eine grosse Herausforderung sehe ich nach wie vor in der Erreichbarkeit bestimmter vulnerabler Zielgruppen wie sozial benachteiligte Kinder und Jugendlicher und deren Eltern sowie der im Leitartikel erwähnten Komplexität des Themas, der damit verbundenen Schwierigkeit des Wirkungsnachweises und die langfristige Verankerung von guten Beispielen in vorhandene Strukturen. Für Suisse Balance ist es ausserdem eine spannende Herausforderung den Überblick über die vielen Projekte zu Ernährung und Bewegung in der Schweiz zu behalten, sich zu positionieren und qualitativ gute Projekte mit Potential zur Verbreitung zu erkennen und zu unterstützen. Wenn Sie auf Ihre Zeit bei Suisse Balance zurück blicken – was trägt neben Qualitätskriterien wie denen von quint-essenz Ihrer Meinung nach wesentlich zur Qualität von Projekten bei? Wertschätzung des Engagements einzelner Personen, Austausch, Vernetzung, Kooperation! Sie nutzen die quint-essenz Plattform seit Jahren – worin sehen Sie den Nutzen für Ihre Arbeit? Die Plattform quint-essenz dient mir als Wissenserwerb und -erweiterung für die Themen Projektmanagement und Qualitätsentwicklung im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention, als Basis für das Wirkungsmanagement der Projektförderstelle, als Standard für unsere Qualitätskriterien und als Grundlage für das Suisse Balance Online-Tool sowie als praktisches Instrument mit vielen, hilfreichen Dokumenten und Vorlagen. 

2011 Marianne Steiner-Gygli (Herausforderung Systematik)
Frau Marianne Steiner-Gygli, Sie leiten in Aarau die Fachstelle Suchtprävention Aargau. Welchen Stellenwert hat Qualitätsentwicklung für Sie und ihre Organisation? Wir arbeiten seit 2008 mit dem EFQM Modell. EFQM sieht die Qualitätsentwicklung als eine Interaktion zwischen Menschen, Prozessen und Ergebnissen: Menschen arbeiten in Abläufen und erzielen Ergebnisse für andere Menschen! Die Qualitätsentwicklung hat in der Suchtprävention Aargau einen sehr hohen Stellenwert. Sie durchdringt sämtliche Arbeitsbereiche und bewirkt motivierende Rückmeldungen der Kundinnen und Kunden. Sie ist ein laufendes, lebendiges Thema im Alltag. Was unternehmen Sie konkret, um die Qualität Ihrer Projekte zu sichern und weiter zu entwickeln? Welche Rolle spielt dabei quint-essenz? Wir arbeiten in allen Bereichen mit auswertbaren, sinnvollen und für uns als Mitarbeitende interessanten, herausfordernden und reizvollen Zielen. Das heisst es gibt Jahresziele für die Stelle, die Bereiche, die Projekte, für Zielgruppen und persönliche Ziele für die Mitarbeitenden. Die Ziele und die dahinterliegenden Prozesse sind auf die angestrebten Schlüsselergebnisse ausgerichtet. Diese sind: Unseren Kundinnen und Kunden Handlungsanleitungen und Informationen geben und längerfristige Präventionsprozesse in Organisationen und Gemeinwesen in Gang bringen. Meine Führungsinstrumente (Sitzungen, Retraiten, Wissensmanagement, Weiterbildungen, Beurteilungsgespräche, etc.) sind so gestaltet, dass die Frage nach den Schlüsselergebnissen immer wieder präsent ist. Qualität ist ein Alltagsthema geworden, eine Selbstverständlichkeit. Das Wissensmanagement spielt dabei eine wichtige Rolle. Es ist zwar klar auf Papier dargestellt, ist aber eigentlich eine Art der Zusammenarbeit und des Feedbacks, ein Fliessen und sich Verbinden von dem, was sich in den Köpfen von uns abspielt. Dies unterstützt die Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität. Wir haben intern unsere eigenen Projekttools entwickelt, ganz stark an quint-essenz angelehnt. Sie kommen in Bezug auf den Prozess „Projekt“ zur Anwendung. Das Projektmanagementtool auf quint-essenz ist für uns etwas zu schwerfällig und es braucht zuviel Zeit, sich durch alles durch zu klicken. Man braucht auch viel Zeit um die Ausdrucke so umzugestalten, wie wir sie brauchen. All unsere Angebote verfügen über Konzepte und Abläufe, die sich an den Grundlagen von quint-essenz orientieren. Wir haben somit quint-essenz in EFQM integriert und darauf abgestimmt. Inwiefern lohnt sich der Aufwand für die Qualitätsentwicklung? Worin besteht der Nutzen für Ihre Organisation und Ihre Projekte? Die Qualitätsentwicklung fordert heraus und rüttelt auf. Das ist toll, das dynamisiert und führt zu interessanten Gedanken und Lösungsoptionen. Wir lernen viel dabei, was motivierend wirkt. Wir steuern das Ganze so, dass der Nutzen im Alltag Erleichterung bringt, auch wenn die Erarbeitung mühsam ist. Die Arbeit mit Schlüsselergebnissen gibt klar Orientierung. Was nicht den Schlüsselergebnissen dient, macht keinen Sinn. Der Aufwand – anfangs war er gross – lohnt sich dann, wenn es gelingt, Qualität zu einem selbstverständlichen Teil des Arbeitsalltags werden zu lassen, begleitet von gezielten Vertiefungen einzelner Aspekte. Was würden Sie Verantwortlichen anderer Fachstellen in der Prävention und Gesundheitsförderung im Hinblick auf Qualitätsentwicklung empfehlen? Die Qualitätsentwicklung muss so installiert und umgesetzt werden, dass das Team sich gerne darauf einlässt. Die Instrumente des Qualitätsmanagements sollten erklärbar und so auswertbar wie möglich sein. Am wichtigsten scheint mir jedoch, dass Qualität zu einem Alltagsthema wird, zu einer Sache, die den Ehrgeiz anstachelt, die zu Diskursen und Auseinandersetzungen führt, zu Freude und Stolz an den eigenen Leistungen und den Leistungen als Team.
2012 Katrin Meier (Zukunft Community)
Frau Meier, Sie arbeiten bei der Stiftung Kinderschutz Schweiz als Kampagnenleiterin, welches sind Ihre Hauptaufgaben? Als nationale Stiftung macht sich Kinderschutz Schweiz in allen Landesteilen dafür stark, dass die Kinder unserer Gesellschaft in Würde aufwachsen, ihre Rechte gewahrt werden und ihre Integrität geschützt wird. In der Stiftung bin ich verantwortlich für die Konzeptentwicklung und das Argumentarium für die nationale Kampagne für eine gewaltfreie Erziehung. Mit der Kampagne sollen Eltern, Fachpersonen, Kinder und die breite Bevölkerung zum Thema physische und psychische Gewalt sensibilisiert und informiert werden. Um alternative Erziehungsmethoden anzubieten, ist u.a. geplant, die Elternbildung zu fördern und zu stärken. Die Kampagne soll demnach sowohl präventiv wie auch gesundheitsfördernd wirken. Herzliche Gratulation, Sie sind die 200. Fachperson mit öffentlichem Profil auf quint-essenz! Aus welchem Grund sind Sie quint-essenz beigetreten? Für den professionellen Aufbau meiner Kampagne empfand ich das Projektmanagement-Tool von quint-essenz als hilfreich. Aus diesem Grund besuchte ich eine Schulung von quint-essenz, in der ich auch auf die Community aufmerksam wurde. In der Prävention wie auch in der Gesundheitsförderung sind Vernetzung und Austausch wichtige Komponenten, die ich pflegen möchte. Bei quint-essenz ist das Projektmanagement-Tool praktischerweise mit der Community verbunden. Diese Verbindung ermöglicht es, ein einmal angelegtes Projekt einfach zu veröffentlichen, damit andere darauf reagieren können. Was erhoffen Sie sich von quint-essenz?/Wo sehen Sie das Potential der Community? Ich bin zwar noch relativ neu in der Community, aber ich erhoffe mir durch diese Mitgliedschaft eine Netwerkerweiterung. Gewaltfreie Erziehung ist meiner Ansicht nach nicht nur ein Thema aus dem Kinderschutzbereich, sondern gehört auch ins weite Feld der Public Health. Aus diesem Grund wünsche ich mir durch quint-essenz Community spannende Diskussionen und Anregungen aus einer erweiterten Perspektive. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass viele User einen Nutzen möchten von quint-essenz, selber jedoch weniger bereit sind, etwas zu der Plattform beizutragen. Was sind Sie persönlich bereit zur Community beizutragen? Einerseits nehme ich mir vor, stets über den aktuellen Stand der Kampagne zu informieren, aus diesem Grund werde ich, sobald die Kampagne offiziell startet, ein Projektprofil auf der Community anlegen. Anderseits verfolgen wir in der Stiftung die Absicht, unsere Online-Kommunikation weiter auszubauen und werden prüfen, welche Möglichkeiten quint-essenz uns hier insgesamt bietet. Was wünschen Sie sich für die Zukunft von quint-essenz Community? Schön wäre, wenn der interdisziplinäre Fachaustausch gestärkt wird.
2013 Douglas Gonzalez (Projektsteuerung)
Herr Gonzalez, Sie sind Projektleiter des Waadtländer Programms „Ça Marche! Bouger plus, Manger mieux!“ Was sind im Wesentlichen Ihre Aufgaben? Ich wurde im Rahmen des kantonalen Programms eingeladen, ein Projekt zur Förderung von Bewegung und gesunder Ernährung zu entwickeln und umzusetzen, das sich an Populationen mit Migrationshintergrund richtet. Nächstes Ziel ist nun, das multikulturelle Projekt „Mon Assiette, mes Baskets“ in der Migrationsbevölkerung und in den organisierten Gemeinden zu verankern. Voraussetzung, um persönliche Themen wie Übergewicht, Ernährung, Bewegung und körperliche Betätigung überhaupt ansprechen zu können, ist der Aufbau von Beziehungen zwischen den Projektpartnern und Teilnehmenden. Ich versuche, die Aktivitäten soweit wie möglich für die Vielfalt der Migranten und der Nicht-Migranten zu öffnen. Gemeinsam gehen wir drei Schwerpunkte an: Um fit zu werden, praktizieren wir Nordic Walking, also das Gehen in der direkten Umgebung (Stadt, Region), daneben gibt es den Tanz, thematische Ausflüge und viermal jährlich die Aktion „Ich zähle meine Schritte“. Ziel ist es, für mehr Bewegung im Alltag zu sorgen beziehungsweise die Bewegung im Alltag aufzuwerten. Beim Thema gesunde Ernährung und Kochen sowie beim Austausch über Strategien zum Einkaufen kommt eine Reihe externer Partner zum Einsatz. Ebenso beim letzten Schwerpunkt, der sich mit Fragen der Gesundheit, der Gesundheitsbilanz und der Vermittlung nützlichen Wissens befasst. Dieser kurze Überblick zeigt, wie unterschiedlich meine Tätigkeiten sind. Ich widme mich dem Aufbau von Beziehungen und Kontakten, bin vor Ort, organisiere, plane und pflege die Zusammenarbeit mit unseren Partnern. So kostbar meine Erfahrung im sozialen Bereich ist, so unentbehrlich ist meine Ausbildung als Ingenieur, wenn es darum geht, Projekte und die Arbeit an sich zu strukturieren. Da ich für die Jahresplanung der Aktivitäten von „Mon Assiette, mes Baskets“ zuständig bin, muss ich auch die kurz- und mittelfristigen Ziele festlegen. Gleichzeitig bin ich permanent auf der Suche nach Partnern, die vor Ort aktiv sind und die ich einbinden kann, und auf der Suche nach finanzieller Unterstützung. Ich muss also bevorzugte Beziehungen zu Schlüsselfiguren im Migrationsmilieu und in den Institutionen aufbauen und damit alle oder fast alle Bereiche abdecken – von der Gesundheit, über den Verbraucherschutz, bis hin zu den öffentlichen, kommunalen und kantonalen Trägern. Besonders nützlich ist, dass das Programm „Ça marche“ bei den Gesundheitsligen eingebunden ist. Das erleichtert die direkte Zusammenarbeit mit Programmen wie „Allez Hop Romandie“ und „Fourchette Verte“. Ich habe das Glück, dass ich ausserdem ein Team sehr dynamischer und offener Kollegen habe. Ich leite die Workshops zur Bewegung und zum Wandern. Ich co-moderiere die Workshops und Treffen zum Thema Kochen und ich betreue die Teilnehmenden. Damit habe ich ausreichend Praxisbezug. Und schliesslich manage ich die Evaluation und schreibe die Tätigkeits- und Geschäftsberichte. Um an beidem Spass zu haben, an der Arbeit vor Ort wie am Management, ist es schon wichtig, das richtige Rüstzeug zu haben. Was sind aus Ihrer Sicht die grössten Herausforderungen (oder Hürden) bei der Umsetzung eines Projekts? Um zu verstehen, worum es bei meiner Arbeit geht, muss man bedenken, dass ich im Kontext der öffentlichen Gesundheitsvorsorge handle. Die grösste Herausforderung besteht darin, eine Tätigkeit in die Freizeit der Teilnehmenden einzubringen, die sie bereichert. Es geht darum, Erwartungen zu erfassen, flexibel zu sein und sich anzupassen, um unser Angebot auf den konkreten Bedarf zuzuschneiden. Und natürlich gilt es, die Vorgaben der Geldgeber und die Anforderungen der Praxis miteinander in Einklang zu bringen. Wie gehen Sie persönlich an diese Herausforderungen heran? Ohne Flexibilität und Anpassungsfähigkeit geht es nicht. Grundlage sind Beziehungen, Vertrauen und eine Dienstbarkeit, die nicht missbraucht werden darf. Das erfordert grosse Offenheit und Verhandlungsfähigkeit, sowohl gegenüber der Basis (den Teilnehmenden) als auch gegenüber Partnern und Geldgebern. Welche Tools eignen sich Ihres Erachtens für die Projektleitung? Ich nutze in der Praxis sehr oft die Technik des Mindmapping, um die Struktur eines Projekts in der Gruppe zu veranschaulichen. Meilenstein-Meetings sind wichtig bei der Feinsteuerung. Aber auch herkömmliche Projektmanagement-Tools wie Gantt-Diagramme oder „Tableau de bord“ sind nützlich. Sie können mit verschiedenen Mitteln oder Anwendungen erstellt werden (Excel, Mind View, XMind, …). Ausserdem gibt es das Projektmanagement-Tool quint-essenz, mit dem sich Projekte gemeinsam online erstellen und definieren lassen, vor allem während der Planung. Was würden Sie jemandem raten, der noch keine Erfahrung hat und die Leitung eines Projekts übernehmen möchte? Worauf muss er besonders achten? Ohne den genauen Kontext zu kennen, ist es nicht so einfach, einen Rat zu geben. Aus meiner Erfahrung habe ich jedoch Verschiedenes gelernt. Die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort sind nie so wie in der theoretischen Planung. Das heisst, man muss auch loslassen können. Dann ist es wichtig, dass man auf die Menschen eingeht, ohne dabei sein Ziel aus den Augen zu verlieren. Dafür muss man den strategischen Elementen und der langfristigen Vision Rechnung tragen. Gleichzeitig gilt es, taktisch wendig zu bleiben, um angemessen und schlüssig reagieren zu können. Wer ein Projekt leitet, muss die Richtung vorgeben – Partnern und Kollegen aber auch vertrauen. Er muss wissen, dass er die Weisheit nicht alleine besitzt, sondern dass er vielmehr den Austausch von Wissen betreut. Um sich seinen Platz und den Respekt der anderen zu verdienen, ist es erforderlich, den anderen Raum zu geben, um sich selber optimal in das Projekt einbringen zu können.
2013 Judith Hübscher-Stettler & Doris Grauwiler (Qualität in Organisationen)
Judith Hübscher-Stettler, Sie sind Beauftragte für Gesundheitsförderung und Prävention im Kanton Thurgau. Welchen Stellenwert hat Qualität in der Gesundheitsförderung und Prävention in Ihrem Kanton? *Hübscher-Stettler:* Qualität hat einen hohen Stellenwert. Einer der Leitsätze im Konzept Gesundheitsförderung Thurgau fordert, dass sich Programme und Projekte der Gesundheitsförderung nach anerkannten Qualitätskriterien und in der Praxis erprobten, wirkungsorientierten Modellen richten. Auf Grund der knapper werdenden Ressourcen wird die Qualitätssicherung noch an Bedeutung gewinnen: Sollen die vorhanden Mittel wirkungsvoll und effizient eingesetzt werden, müssen Qualität und Wirksamkeit der verschiedenen Programme, Projekte und Angebote überprüft und gesichert sein. Wie gelingt die Umsetzung in die Praxis? *Hübscher-Stettler:* Zunächst geht es darum bei den Entscheidungsträgern das Verständnis für die Rahmenbedingungen zu schaffen, welche notwendig sind, damit Qualität entstehen kann. Auch die Leistungserbringer müssen zum Thema Qualität sensibilisiert werden, wobei die unterschiedlichen Ausgangslagen zu berücksichtigen sind: einige Organisationen sind noch mit Struktur- und Prozessqualität befasst und bei anderen kann bereits auf Ergebnisqualität fokussiert werden. Wo erleben Sie Widerstände und wie gehen Sie damit um? *Hübscher-Stettler:* Die Herausforderung besteht darin, für die verschiedenen Anspruchsgruppen mit den vorhandenen Mitteln Leistungen zu erbringen, welchen den unterschiedlichen Qualitätsansprüchen genügen. Das heisst, Qualität in Relation mit dem praktisch Mach- und Finanzierbaren zu fordern und zu fördern. Dies ist ein Prozess, der mit handhabbaren, praxisorientierten Instrumenten und Augenmass in Bezug auf die Qualitätsansprüche gefördert werden kann. Frau Grauwiler, Sie sind als Bereichsleiterin Gesundheitsförderung und Prävention bei der Perspektive Thurgau daran, die beiden Qualitätsinstrumente quint-essenz und Modul X QuaTheDA kombiniert in ihrer Organisation umzusetzen. Wo sehen Sie das Potenzial einer Kombination dieser beiden Qualitätssysteme? *Grauwiler:* Das grösste Potential der Kombination liegt im Bereich Konzeption, Entwicklung und Umsetzung von Dienstleistungen (QuaTheDA Modul X/2). Während QuaTheDA mit seinen Anforderungen quasi das Gerüst vorgibt, liefert quint-essenz mit seinen Kriterien und Instrumenten die Inhalte. Welches sind die grössten Herausforderungen, die sich stellen werden? *Grauwiler:* Die grösste Herausforderung ist, dass Gesundheitsförderung und Prävention in QuaTheDA nicht als eigenständige Bereiche erscheinen, sondern „Gesundheitsförderung, Prävention, Früherkennung und Frühintervention“ als Tätigkeitsfeld der Suchthilfe gehandelt wird. Es stellt sich die Frage, ob QuaTheDA dem Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention damit ausreichend Handlungs-spielraum und Entwicklungspotential zugesteht. Welche Hinweise oder Empfehlungen können Sie Institutionen geben, welche die Qualität ihrer Projekte nachhaltig sichern und fördern wollen? *Grauwiler:* Wir stehen ganz am Anfang. Wir fokussieren auf die Qualitätssicherung von Gesundheitsförderungsprojekten als eigenständigem Bereich und versuchen dann die Verknüpfungen zu QuaTheDA so zu machen, dass auch diese Anforderungen erfüllt sind. Das sollte gelingen, weil wir uns im Kernauftrag an den Kriterien und den Instrumenten für Projektqualität von quint-essenz orientieren. Eine mehr oder weniger systematische Anwendung von quint-essenz von der Projektbegründung über die Planung und Durchführung bis hin zur Evaluation gibt den Projekten eine professionelle Grundlage und erfüllt damit auch die Anforderungen von QuaTheDA. Für interdisziplinäre Organisationen, wie die Perspektive Thurgau, welche im Suchtbereich bereits zertifiziert ist, ist die Kombination ein gangbarer Weg.
2015 Christian Jordi (Chancen und Risiken in Projekten und Programmen)
Christian Jordi, Sie arbeiten seit dem 1. November 2014 als Leiter Direktionsstab bei Gesundheitsförderung Schweiz und sind u.a. auch für das Risikomanagement der Stiftung zuständig. Was muss man sich unter einem Risikomanagement vorstellen? Das Risikomanagement ist eine Führungsaufgabe, die oft auch unter dem Begriff ‚Corporate Governance‘ subsummiert wird. Es umfasst zwei wesentliche Elemente: erstens die strategischen Risiken wie Umwelt- oder Reputationsrisiken. Zweitens die operativen Risiken wie Budgetüberschreitungen oder Fehler aufgrund unklarer Abläufe. Die operativen Risiken werden durch das interne Kontrollsystem (IKS) erfasst, welches auch ein Bestandteil der ordentlichen Revision ist. Können Sie uns Beispiele für Risiken geben, die Gesundheitsförderung Schweiz identifiziert hat? Ein externes Risiko können negative Medienberichte sein, welche der Reputation von Gesundheitsförderung Schweiz schaden können. Ein weiteres Risiko liegt darin, dass zu hoch angesetzte Wirkungsziele nicht erreicht werden können. Ein Beispiel für interne Risiken sind Personalausfälle aufgrund von Krankheiten oder Unfällen. Und wie geht Gesundheitsförderung Schweiz konkret mit diesen Risiken um? Die strategische Unternehmensausrichtung sowie deren Zielerreichung werden anhand eines Management-Informationssystems pro Quartal durch die Geschäftsleitung überprüft und dem Stiftungsrat kommuniziert. Zudem prüfen der Strategieausschuss und der Audit-Ausschuss (bestehend aus Mitgliedern des Stiftungsrats) einmal jährlich die Entwicklung der strategischen Ausrichtung. Was können Sie Fachleuten raten, die in ihrem Projekt oder ihrer Organisation ein Risikomanagement etablieren wollen? Eine wichtige Grundsatzvoraussetzung stellt die Wesentlichkeit dar. Das Risikomanagement soll die essentiellen Risiken erkennen und sie vordringlich behandeln. Weiter muss das Risikomanagement gelebt werden, d.h. allen Mitarbeitenden bekannt und revisionstechnisch überprüfbar sein. Letztlich sollten das Risikoausmass sowie die Eintrittswahrscheinlichkeit wenn möglich quantifiziert werden. Eine abschliessende Frage: Gibt es nicht nur für Risiken, sondern auch für Chancen, die sich ergeben können, einen systematischen Umgang? Wo es Risiken gibt, gibt es auch Chancen. Diese können anhand einer SWOT-Analyse (Analyse der Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken) identifiziert und beeinflusst werden. Gesundheitsförderung Schweiz verfolgt die Entwicklungen im Feld aktiv, um gute Gelegenheiten (‚windows of opportunities‘) erkennen und nutzen zu können. Dazu ist sie in verschiedenen Netzwerken aktiv, in engem Kontakt mit Entscheidungsträgern aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Nonprofit-Organisationen und sie beobachtet laufend die politischen Entwicklungen mit Hilfe eines systematischen Politikmonitorings. Zudem sammeln und bewerten wir laufend die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse in unseren Themenbereichen.
Letzte Änderung: Mittwoch, 13. Mai 2015, 11:29 Uhr